Kleine Historie des Windenstarts   

Hinweis: Nicht alle Ausführungen auf dieser Seite sind ganz ernst zu nehmen.


Epoche 0

   Vor zweitausend Jahren erfanden die Chinesen das Papier und stellten fest, dass es leicht wegflog, wenn man es nicht festhielt. Auf ein Bambuskreuz gespannt knitterte es zwar nicht mehr, flog aber noch leichter weg und war noch schwerer festzuhalten. Hielt man es leicht nach vorn geneigt, entstand eine Kraft nach oben, wenn man schnell genug rannte oder der Wind blies. Leider hatten die alten Chinesen nur kurze Arme, so dass sie eine Schnur an das Papierkreuz binden mussten, um es höher aufsteigen lassen zu können. Nun gab es drei Möglichkeiten, das Ding in die Luft zu bringen. Entweder wartete man auf Wind, oder man rannte mit dem Seil in der Hand los, oder man zog schnell genug am Seil. Wenn sie zu langsam zogen stellten sie fest, dass das Seil irgendwann zu Ende war und das Papierkreuz vor ihren Füßen lag. Auf altchinesisch nannten sie das Win Den Stalt. So ähnlich passiert das auch heute noch manchmal, nur nennen sie es jetzt Sei Lis Ü Bung, Shei Nae Gel, Lei Tung Fe Lust, Fel Tsün Dung oder Ge Tli Bim Ei Mel.


Epoche 1

   Es sollten etwa 1890 Jahre vergehen, bis als einziger endlich ein gewisser Otto auf die Idee kam, das Papier auf mehrere Bambusstäbe zu spannen und sich das ganze als Federschmuck umzuhängen. Die Erfindung des Seiles hatte jedoch noch nicht ganz den Weg nach Europa gefunden, weshalb er von seinen Sklaven einen Haufen in der Brandenburgischen Sandbüchse aufschütten lies, um nachher mit dem Papiervogel wie wild von oben gegen den Wind bergab loszurennen. Irgendwann verlor er dabei sogar einmal den Boden unter den Füßen. Diese Tradition lebt bis heute unter dem Namen Paraglei-Ding fort.


Epoche 2

   Etwa zur selben Zeit hatte ein anderer Otto, der auch Nikolaus genannt wurde, eine Maschine erfunden, die sich drehte und knallte, wenn man stinkendes Wasser aus der Apotheke hineingoß. Sie war zunächst zu schwer, um sie an einen Papiervogel zu binden, aber immer noch leichter als das rauchende Ungetüm, das Rudolf ins Spiel gebracht hatte. So hatte Nikolaus dann doch als erster seine Kraftmaschine in der Luft. Es ist ein Gerücht, dass Rudolf deshalb ins Wasser gegangen ist, denn sein Selbstzünder setzte sich nicht nur bei Schwerlasttransporten {die nicht nach dem Geburtsgewicht von Rudolfs Baby benannt sind} an Land und auf der See, sondern auch in der Luft durch. Leider war dies erst 30 Jahre nach Nikolaus' kleinem Schlucker der Fall, aber die Menschen wußten diese Maschine genauso zu mißbrauchen wie zuvor die andere. Deswegen nahmen die Nachbarn den bösen Kindern die Maschinen wiederholt aus den Vögeln, weshalb sie sich an Otto und die alten Chinesen erinnern mußten.


   Sie nahmen Ottos Vogel, denn sie hatten sowieso nichts weiter zu tun, und bestiegen damit einen großen feuchten Berg in Mitteldeutschland. Wenn gerade mal freie Sicht war, losten sie einen aus ihrer Gruppe von 30 Leuten aus. Wer den kürzeren gezogen hatte, mußte sich auf Kommando des frechen Oskar in das Holzgestell setzen und wurde von den anderen, die dafür extra das Ban-Dschi-Seil erfunden hatten, in einer Y-förmigen Formation den Berg hinuntergeschleudert. Wer den Aufschlag fünfmal länger als 20 Sekunden und einmal länger als 30 Sekunden im Geradeausflug hinauszögern konnte, bekam dafür ein A. Wer es fünfmal schaffte, den Bäumen mit Rechts-Links-Kurven auszuweichen und dadurch 60 Sekunden in der Luft bleiben konnte, bekam dafür ein B. Danach mußten sie sich einen Holzpantoffel mit Flügeln zimmern und sich damit in fünf Versuchen insgesamt 60 Minuten vom Wind den Berg hochblasen und sich anschließend befragen lassen, um ein C zu bekommen.


   Mit der Zeit wurde es ihnen zu mühsam, den Vogel dreißigmal am Tag den Berg hinaufzuschleppen und wieder hinunterzuschnelzen. Sie schlugen Sisyphos ein Schnippchen und nahmen kurzerhand die Fahrmaschine von Carl und Gottlieb, die Nikolaus' Metallklotz in einen Pferdewagen gehängt hatten. Sie rannte schneller als die alten Chinesen, um das Papier in die Luft zu bringen, jedoch schlug es dem Fahrer auf der Wiese jedesmal fast das Hirn heraus, und irgendwo endete die Wiese immer abrupt.


   Also stellte das seltsame Häufchen den Wagen am Ende der Wiese ab, schraubten eine zweite Felge ans aufgebockte Hinterrad, blockierte die anderen drei Räder und wickelte ein Seil auf die Felge, das so lang wie die Wiese war. Vor das Stehzeug stellten sie einen Holzklotz und legten eine Axt daneben, mit der sie das Seil zu durchtrennen versuchten, wenn der Knoten am Vogel einmal zu fest war. Um den Vogel schnell genug zu machen, kuppelten sie fleißig im stehenden Wagen, worauf der Vogel mit einem zufriedenen Nicken antwortete.

Nun konnten es sich nicht alle leisten, einen Motorwagen zu zerlegen, aber ein Moped tat es offensichtlich auch.

Die kleine Hanna verbrachte damals eine Zeit in Finnland und berichtet in "Fliegen - mein Leben":

«Ich hatte mich mit meinen Kameraden in die Schulung von Fortgeschrittenen und Anfängern geteilt, wobei die Schulung der Anfänger ungleich mühsamer ist. Zum Training standen uns keine Schleppflugzeuge, sondern Schleppwinden zur Verfügung. Die Winde steht immer auf der einen Seite des Flugplatzes, während sich auf der anderen Seite das Segelflugzeug befindet. Zwischen beiden ist ein Seil ausgelegt.
Die Winde hat die Aufgabe, das ausgelegte Seil auf einer Trommel aufzurollen. Der Flugschüler hat dabei die Segelkiste in einem völlig überzogenen Flugzustand wie einen Drachen hochzuziehen, um sich auf ein Winkzeichen hin auszuklinken. Bei dieser Art von Schlepp muss der Schüler darauf achten, daß er beim Wahrnehmen des Winkzeichens nicht ausklinkt, ohne vorher nachgedrückt zu haben. Das erfordert Konzentration.»


Epoche 3

   Zum zweiten Mal hatten die Kinder Unfug mit ihren motorisierten Vögeln angestellt, worauf sie ihnen weggenommen wurden. Fast alle kleinen Autos waren kaputt, und wer eines hatte, wollte es nicht den komischen Häufchen zum Spielen geben. Zum Glück gab es noch ein paar Lastwagen, auf die man ein Sammelsurium von alten Teilen schrauben konnte, die man amerikanischen Carepaketen, die Diplomaten mitgebracht hatten, und anderen alten Lastwagen entnahm.
Wenn ein Diplomat A sagt, muß er auch B sagen
So hatte man dann auch viele Sorgen mit diesen Kraftpaketen. Sie husteten, weil ihre Luft oft schlecht eingestellt war. Sie hatten Fieber, weil sie keinen Auslauf mehr bekamen und die kühlenden Umschläge einfach viel zu klein waren. Sie soffen und hingen durch, wenn ihre Bandscheiben schrumpften. Man konnte sie nicht in die Gänge kommen lassen, weil sie bei jedem Wechsel der Gangart kurz durchschnaufen mußten. Ihre Gliedmaßen wurden beim Treten auf der Stelle zu heiß und versagten den Dienst. Sie liefen auf kleinen, aber breiten Felgen, die fleißig und gleichmäßig besohlt und gut gebremst werden wollten. Nur zu schnell passierte es, dass eine Sandale schief gewickelt war. Fleißige Schuster sorgten sich nächtelang um sie.


Epoche 4

   In einem Ländle hatte man eines Tages kein Mitleid mit den bayerisch-amerikanischen Patienten mehr und überließ sie ihrem Schicksal. Man suchte nach Alternativen, die deutsche Medizin vertragen konnten, nicht so oft krank waren und trotzdem nicht die Welt kosteten. Bei den Schuhen ging man von den breiten Schnürsandalen weg zu schmalen Slippern und heilte die Fußkrankheiten nahezu. Beim Herz griff man wieder auf altes Eisen zurück, diesmal aber von Landsmännle Gottlieb und Rudolf, weshalb sie auf Besserung hofften. In deutscher Tradition baute man eine Lafette, diesmal aber richtig, nämlich mit zwei LKW, Pneumatik, Elektrik und allem Pipapo übereinander. Der Flugplatzboden stöhnte und gab nach einem harten Winter einfach nach. Daß bei einer Jahresnachprüfung nach dem Rettungsring gefragt wird, ist bisher jedoch nicht bestätigt. Leitle sind gemütlich und sparsam; so schleppen sie auch und sind's zufrieden. Eine Frage blieb offen: mögen sie den Bonanza mit 1 t rotierender Masse auf der Winde wirklich?


Epoche 5

   Mike, damals ein kleiner Junge und heute ein kleiner Ingenieur, arbeitete bei einer Stahlbaufirma im tiefen englischen Moor zwischen Birmingham und Chester. Shorty war schon immer ein großer Schrauber und hatte sich auf dem nahen Fliegerberg als Windenfahrer verdingt. Dort hatte er die Leiden und Wehen der seltsamen Häufchen kennengelernt, und in ihm wuchs die Vision, sie von ihrem Leid zu erlösen. Das Fliegerische lag ihm nicht so, weil er Höhenangst hat, weshalb böse Zungen behaupten, dass er deswegen so klein geblieben ist. Aber die Liebe zur Technik brachte ihn mit den komischen Vögeln zusammen, und er sagte sich beim Blick in verschiedene Sorgenkinder, dass er alles viel besser und einfacher {"keep it simple"} machen könnte. Als die benachbarte Flugschule vergeblich eine Winde suchte, die 12.000 Starts im Jahr zuverlässig abreißen konnte, gründete Mike sein eigenes Ingenieurbüro und kaufte einen Bleistift, einen Taschenrechner und viel Papier. Als er 8 Aufträge für seine Zeichnungen beisammen hatte, traf er den großen Onkel Adam, dem eine Stahlbaufirma gehörte, und machte ihm einen Vorschlag. Adam war überzeugt und sah die Marktlücke. Er machte mit Mike einen Vertrag und gab ihm Geld. Einige Zeit später stand etwas auf vier gelben Landrover-Rädern, worauf keiner gewettet hätte. Die königliche Luftwaffe wurde sofort beliefert und warf ihren Alt-Import auf den Schrott.
Heute zieht Mike mit einem silbernen Trooper, dem er gerade bis an die Fensterunterkante reicht, dem großen Onkel Adam und Grandpa Pete, seines Zeichens ganztagsangestellter Windenfahrer aus Midland, blau-gelbe Kasperbuden, die kaum größer als Mike selbst sind, übers Land und über die See und bringt sie den erwartungsfrohen seltsamen Häufchen, von denen er bereits 48 glücklich gemacht hat.


 

-  happy end ;-)  -



Ein etwas seriöserer Beitrag zum Thema